Portugal siegt in der Schlacht von Nürnberg

Das spektakulärste und emotionsgeladenste Spiel dieser WM sahen am Abend die 41.000 Zuschauer im Nürnberger Franken-Stadion. Von der ersten Minute an bekämpften sich die Mannschaften aus Portugal und den Niederlanden mit allen Mitteln. Unterlegen in diesem Abnutzungskampf waren letztlich die "Oranjes". Knapp mit 1:0 behielten die Portugiesen die Oberhand.

Eine wahre Kartenflut ist der statistische Beleg für die rustikale Gangart beider Teams. Bereits in der zweiten Spielminute zückte Schiedsrichter Valentin Ivanov die erste von 16 Karten. Erstes Opfer war gut fünf Minuten später ein Portugiese. Für Cristiano Ronaldo gab es kein Entrinnen vor den Stollen von Khalid Boulahrouz. Dieser traf den Stürmerstar heftig am Oberschenkel. Eine knappe halbe Stunde schleppte sich Ronaldo noch über den Platz, ehe er unter Tränen aufgeben musste. Das niederländische Raubein kam mit Gelb davon. Dies hatte aber nur aufschiebende Wirkung, später flog er ohnehin vom Platz - genau wie sein Mannschaftskollege Giovanni van Bronckhorst und auf portugiesischer Seite Costinha und Deco.

Mit dem Fairplay war es nicht weit her in dieser Partie. Von dem ungeschriebenen Gesetz, dass nach einer Unterbrechung mit anschließendem Schiedsrichterball das Spielgerät an die zuvor in Ballbesitz befindliche Mannschaft zurückgegeben wird, sollte man auch in den Niederlanden schon einmal gehört haben. Zweimal missachteten die Holländer dieses Gebot der Fairness. Auch dadurch kam unnötige Härte ins Spiel, so geschehen vor allem in der 73. Spielminute.

Es wurde auch Fußball gespielt

Doch die beinharte Partie hatte auch fußballerisch einiges zu bieten. Während Portugal in erwarteter Besetzung antrat, verzichtete Marco van Basten auf Ruud van Nistelrooy. Für ihn stand Dirk Kuyt in der Startelf. Selbst als Einwechsler war der ManU-Stürmer für den Bondscoach offensichtlich kein Thema, er schmorte 90 Minuten auf der Bank.

Die Niederländer zeigten von Beginn an, dass sie sich der Notwendigkeit einer Leistungssteigerung absolut bewusst waren. Nach bisher enttäuschenden Vorstellungen bot die "Elftal" in diesem Achtelfinale die beste Turnierleistung. Der Rückstand nötigte sie aber auch, initiativ zu werden. Zwangsläufig ergaben sich optische Vorteile, zeitweise unterstützt durch das personelle Übergewicht nach den Platzverweisen. Eine Vielzahl an Chancen war da nur eine logische Folge.

Portugal gestählt durch diese Erfahrung

In Sachen Tormöglichkeiten standen die Portugiesen den Niederländern zumindest qualitativ kaum nach. Immerhin eine von diesen Gelegenheiten nutze Nuno Maniche zum Tor des Tages (23.). Das war der Unterschied. Aus der Situation heraus verlegten sich die Südwesteuropäer dann vor allem in Halbzeit zwei natürlich auf Konter, blieben dabei aber stets gefährlich.

Letztlich siegten die Portugiesen sicherlich glücklich jedoch auch nicht unverdient. Für den weiteren Turnierverlauf kann dieses intensive Spiel noch Gold wert sein. Zwar kostete es einiges an Substanz und hat zudem Sperren zur Folge, doch bezüglich Teamgeist, Selbstvertrauen, Siegeswille kann sich eine derartige Erfahrung überaus positiv auswirken. Und Viertelfinalgegner England ist in deren momentaner Verfassung absolut keine unüberwindbare Hürde.

Der Blick muss in die Zukunft gehen

In den Niederlanden ist dagegen Trauer angesagt. Zu gern hätte man aus dem so "geliebten" Nachbarland den WM-Titel entführt. Marco van Basten wird der Wind in den kommenden Tagen mächtig ins Gesicht wehen. Trotz seines großen Befürworters Johan Cruyff bot der Bondscoach einige Angriffspunkte. Der komplette Verzicht auf Ruud van Nistelrooy ist sicher genauso diskussionswürdig wie die Auswechslung von Joris Mathijsen statt des Gelb verwarnten Khalid Boulahrouz. Vielleicht aber hat man die Geduld und lässt van Basten die begonnene Arbeit fortsetzen.